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Die digitale Revolution hat einen neuen Typus Künstler hervorgebracht: Er verschenkt seine Musik und nutzt erfolgreich die neuen Möglichkeit der Selfmade-Produktion und des Eigenvertriebs. Einer von ihnen ist der Chillwaver Chaz Bundick alias Toro y Moi, der für sein Debütalbum „Causers of this“ dies- und jenseits des Atlantiks viel gefeiert wurde. Bundick nahm seine ersten EPs und Alben in Eigenregie am Laptop auf und verbreitete sie anschließend über Blogs kostenlos im Internet. Wie er im Gespräch mit cartouche. erklärt, gehöre das inzwischen zum Pflichtprogramm, wolle man es heute noch zu etwas bringen.

Chaz, die digitale Revolution hat das Musikgeschäft gründlich auf den Kopf gestellt. Plattenfirmen und Musikmagazine scheinen angesichts der neuen Möglichkeiten des Eigenvertriebs und der kostenlosen PR-Arbeit der unzähligen Fanblogs überflüssig geworden zu sein. Inwiefern hat dir das Internet bei deiner Arbeit geholfen?

Chaz Bundick: Ich habe das Internet genutzt, um meine Musik kostenlos zu verbreiten. Hätte ich diese Möglichkeit nicht gehabt, wäre ich längst nicht so erfolgreich.

Moment mal, du hast deine Musik kostenlos ins Netz gestellt?

Selbstverständlich! Kennst du noch Jemanden, der Musik legal erwirbt? Ich nicht. Warum die eigenen Aufnahmen also nicht gleich verschenken? Nicht einmal Musiker geben noch Geld für Musik aus. Künstler, die das Gegenteil behaupten, lügen oder wissen ganz einfach nicht, wie man Mediafire und Rapidshare benutzt.

Du hast also nichts gegen Musikblogs, die einfach nur die Rapidshare-Links von geleakten Alben verbreiten?

Ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Das sind meine Lieblingsblogs! Einen Großteil der Musik, die ich besitze, habe ich illegal aus dem Netz geladen. Genauso habe ich kein Problem damit, dass meine Aufnahmen im Netz kursieren.

Kannst du trotzdem von deiner Musik leben?

Klar! Ich verdiene mein Geld mit Konzerten.

Du hast deine Musik anfangs also kostenlos und ohne die Hilfe eines Labels vertrieben. Wo hast du noch auf klassische Strukturen verzichtet?

Ich habe Tonstudios gemieden. Meine Alben und EPs habe ich bei mir zuhause in South Carolina auf meinem Laptop produziert. Hierfür nutzte ich die Software Fruity Loops und ein Kassettenaufnahmegerät.

Du schlüpfst also in die Rolle des Produzenten. Welche Talente muss ein Musiker heutzutage noch besitzen?

Wenn du es heute zu was bringen willst, musst du dich auch mit Management auskennen. Da das Internet die Kommunikation erheblich erleichtert hat, ist das gar nicht mehr so schwer. Eins ist klar: Es reicht längst nicht mehr aus, einfach nur gute Musik zu machen.

Würdest du sagen, dass das Musikgeschäft durch das Internet demokratischer und partizipativer geworden ist?

Es ist auf jeden fall einfacher geworden, sein eigenes Ding zu machen. Trotzdem kann man bei Fülle an Musik schnell den Überblick verlieren. Ich persönlich finde kaum noch die Zeit, mich richtig auf ein Album einzulassen.

Links: toro y moi / blackbird blackbird / millionyoung

(Foto: BRYAN BUSH)


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Keine andere Stadt weist aktuell eine so hohe Dichte an relevanten Bands auf wie New York. Vor allem in Brooklyn sind neben größeren Acts wie Animal Collective oder LCD Soundsystem eine ganze Reihe kleiner Punk- und Folkbands wie Vivian Girls, Real Estate oder Woods zuhause. Zu den neuesten Errungenschaften der Szene zählt die Rock-Combo Babies, die von Woods-Gitarrist Kevin Morby und Vivian-Girls-Sängerin Cassie Ramone gegründet wurde. Am 24. März spielte die Band im Marie Antoinette und verriet im Gespräch mit cartouche., wie hohe Mieten die eigene Produktivität fördern können und wer die wichtigsten Akteure der DIY-Szene Brooklyns sind.

In seinem Song „Hard Times In New York Town“ thematisierte Bob Dylan einst sein zwiespältiges Verhältnis zu der amerikanischen Weltmetropole. Zum einen lobte er die Energie der Stadt, zum anderen monierte er den harten Alltag. Ihr wohnt alle in Brooklyn, wie würdet Ihr New York beschreiben?

Cassie: Ich sehe die Stadt ähnlich wie Dylan. New York ist großartig, aber das Leben dort ist sehr hart. Da die Mieten extrem teuer sind, ist man dazu gezwungen ständig produktiv zu sein. In anderen Städten reicht es aus, zwei Tage die Woche arbeiten zu gehen, um die Miete zahlen und sich etwas zu Essen kaufen zu können. In New York City geht das allerdings nicht. Erstaunlicherweise ist es genau das, was die Leute in die Stadt treibt. Viele entfalten unter dem finanziellen Druck erst ihr vollständiges künstlerisches Potenzial, weil sie gezwungen sind in jeden Bereich ihres Lebens kreativ zu sein. Mich persönlich motiviert die Stadt dazu, rauszugehen und Musik zu machen.

Kevin: Du kannst einfach nicht still zuhause sitzen bleiben. Wegen der hohen Mieten bist du dazu gezwungen, dein Leben ständig zu rechtfertigen und hast deshalb den Drang, immer etwas machen zu müssen. Wir haben zwei Monate in Kalifornien gelebt, wo alles viel billiger ist. Dort war es vollkommen okay, mal zuhause zu bleiben und sich zu entspannen. Wenn du das in New York machst, erklären dich die Leute für verrückt.

Ist es trotz des teuren Lebens möglich in Brooklyn von der Musik zu leben?

Cassie: Klar geht das. Man muss sich einfach nur reinhängen. Schau mich an: Mit dem Geld, dass ich mit meinen Musikprojekten verdiene, schaffe ich es problemlos, alle meine Rechnungen zu bezahlen. Zwar habe ich keinen extravaganten Lebensstil, schlecht geht es mir aber trotzdem nicht. Ich bin stolz darauf, mich nie verkaufen oder irgendwelche Kompromisse eingehen zu müssen.

Von außen betrachtet wirkt die Musikszene in Brooklyn sehr lebendig und gut vernetzt. Was ist euer Eindruck?

Cassie: Die Szene in Brooklyn wächst stetig. Widowspeak und Dutch Treat sind zwei neue aufregende Bands aus Brooklyn. Von Big Troubles, Nude Beach und K Holes ganz zu schweigen.

Kevin: Das schöne daran ist, dass fast alle miteinander befreundet sind. Der Bassist der K Holes und Cassie teilen sich ein Studio. Ich wiederum wohne mit unserem Produzenten Jarvis Taveniere zusammen. Jarvis hat außer dem Babies-Debüt auch die Platten der Vivian Girls, von Widowspeak, Real Estate und meiner anderen Band, den Woods, aufgenommen. Er ist ein integraler Bestandteil der Szene.

Wer ist sonst noch wichtig in der Szene?

Cassie: Todd P. ist eine weitere Schlüsselfigur in Brooklyn. Todd ist ein guter Freund von mir und hat sich als Konzert-Promoter einen Namen in der Szene gemacht. Trotz seines Erfolgs versucht er die Konzertpreise billig zu halten und engagiert sich für die Community. Viele Leute sagen: „Oh man, Todd P. kontrolliert alles“, dabei versucht er nur jeden dazu zu bringen das zu machen, was er macht. Er hat anderen Promotern auf die Beine geholfen, ich denke er macht einen guten Job in Brooklyn.

Welche sind die wichtigsten Spots in Brooklyn?

Kevin: Zentrale Clubs wären das Glasslands, Monster Island Basement, Death By Audio und das Market Hotel. Es gibt aber auch Lofts und Lagerhäuser, in denen es regelmäßig Shows gibt. Besonders oft laufen dort Houseparties.

Was sind „Houseparties“?

Kevin: Das sind kleine Gigs, die manchmal in normalen Wohnungen stattfinden und die verrückter und lockerer sind als normale Konzerte. Viele Bands nutzen die Auftritte auf diesen Parties, um runter zu kommen. Es ist genau dieser Vibe, den wir an Brooklyn so sehr mögen.

Links: the babies / woods / vivian girls / dutch treat / widowspeak

(FOTO: JJ WEIHL)