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Der selbsterklärte Vinyljunkie MADTEO fing vergleichsweise spät an mit dem Produzieren. 27 Jahre war er alt, als er auf einem aus zweiter Hand erstandenen Sampler seine ersten Tracks zusammenbaute. Inzwischen ist der italienische Musiker aus Padua, der mit bürgerlichem Namen MATTEO RUZZON heißt, einer der gefeiertsten Produzenten der Underground-Dancemusic-Szene. Das liegt zum einen an seiner Philosophie: MADTEO versteht sich als Fan und nicht als Künstler. Aber auch sein einzigartiger Sound hat zu seinem Ruhm beigetragen. Die Musik MADTEOS bewegt sich zwischen druckvollem Instrumental-Hip-Hop und relaxtem House.

Sein Debüt und einige weitere EPs veröffentlichte MADTEO auf den angesagten Underground-House-Labels WORKSHOP und HINGE FINGER. Noi No, sein zweites Album, erscheint nun auf dem legendären Experimental-Label SÄHKÖ RECORDINGS, das unter anderem die erste EP des finnischen Industrial-Projekts PAN SONIC herausgebracht hat.

Auf Noi No geht MADTEO neue Wege. Ganz besonders fällt auf, dass ein Großteil der Tracks ohne Beats auskommen. Führt man sich vor Augen, dass diese für die Ästhetik des Musikers bisher maßgeblich und in all seinen anderen Tracks vertreten waren, erscheint dieser Umstand umso mutiger. Anknüpfungspunkte an seine bisherigen Arbeiten sind hingegen der rough abgemischte Sound und die Dekonstruktion fester Formen, die durch alle Tracks hindurch betrieben wird. Nun wurde gerade das Spiel mit Strukturen im House-Bereich zuletzt bis an die Grenzen ausgereizt. Im Vergleich zu vielen seiner Kolleg_innen fing MADTEO damit aber schon viel früher an. Entsprechend wirkt dieses Stilmittel bei ihm weniger aufgesetzt.

Eine weitere Überraschung sind MADTEOS Vocals. Fast erinnern sie an eine Beichte, so persönlich sind die Texte, so zart ist die Stimme, die diese Texte vorträgt. Derartig nah ist man dem Produzenten bisher zu keinem Zeitpunkt gekommen. In dieser Hinsicht hat Noi No große Ähnlichkeiten mit den Klassikern Silent Introduction von MOODYMAN und Midtown 120 Blues von DJ SPRINKLES, bei denen lange Monologe von sanft pumpenden House Beats begleitet werden. Wie MADTEO nutzen die beiden Produzenten hedonistisch anmutende Musik als Untermalung für eine intime Introspektion.

Kein Zweifel: Noi No ist ein bis zur letzten Konsequenz ambitioniertes Album, dessen Stärken in der Ablehnung gängiger Genre-Klischees liegt. Und doch hat die Platte zwei schwache Momente: Das Vocal-Sample in „Vox Your Nu Yr Resolution“ unterhält zunächst, fällt nach mehrfachem Hören jedoch auf die Nerven. Das Gleiche gilt für „Rugrats Don’t Techno for an Answer“, das aus mehreren Samples des DRAKE-Songs „Marvin’s Room“ besteht. Der Bezug auf den kanadischen Rapper kann indes als Statement zum Desinteresse junger Leute in Kanada und den USA an Techno und House und der Dominanz von R&B auf dem nordamerikanischen Musikmarkt gelesen werden.

House Music in ein Albumformat zu bringen, ist schon immer eine große Herausforderung gewesen. Und MADTEO war bisher sehr erfolgreich damit, kein House-Album aufzunehmen. Nichtsdestotrotz ist es dem Produzenten gelungen, eine Platte zu machen, welche an die Qualität seiner anderen Releases herankommt und sich somit nahtlos in sein Klanguniversum fügt. Noi No könnte MADTEO zum großen Durchbruch verhelfen und ihm die Anerkennung bescheren, die er verdient. Nicht, dass er das nötig hätte.

Links: SÄHKÖ

WARREN O’NEILL ist ein Mathematiker und DJ aus Limerick. Er ist davon überzeugt, dass bis Ende 2013 in der PANORAMA BAR nur noch Hip-Hop zu hören sein wird.

Foto: TOMMI GRÖNLUND

Artwork: SÄHKÖ RECORDINGS