//Gespräche

Braucht es noch Labels? „Nein“, antwortet Michael Maramag alias Blackbird Blackbird. Im Gespräch mit cartouche erteilt der US-amerikanische Chillwave-Musiker und Label-Chef nicht nur autoritären Labelstrukturen eine Absage, sondern proklamiert zugleich einen tiefgreifenden Wandel in der Musikindustrie und die Renaissance des DIY. Während User, Fans und Musiker das Business nach ihren Vorstellungen gestalteten, könnten Bands sich dank der technischen Möglichkeiten der digitalen Revolution problemlos selbst managen. Alles nur schnöder Verbalradikalismus? Was ist dran an Michael Maramag? 


Michael, inwiefern hat die Digitale Revolution die Musikindustrie verändert?

Michael: Dank des Internets ist die Musikindustrie um einiges demokratischer geworden. Nicht mehr eine kleine Gruppe von Trendsettern bestimmt, was möglich ist und was nicht, sondern Nutzer, Fans und Künstler. Durch ihre aktive Partizipation definieren sie die Musiklandschaft nach ihren Wünschen.

Inwiefern?

Künstler holen sich die Kontrolle über ihre Musik zurück. Niemand will mehr autoritär durchorganisierte Plattenlabels. Sie werden mehr und mehr durch demokratische Künstlerkollektive ersetzt. Das Label UFOLK Records zum Beispiel, das ich mit meinem Freund Austin Wood betreibe, hilft Künstlern dabei sich einen Namen zu machen und überlässt ihnen das Recht mit ihren Aufnahmen zu machen, was sie wollen. Unser Label wird durch die Künstler betrieben und nicht durch irgendwelche geldhunrigen CEOs.

Du hast deine ersten Songs also nicht auf einem Label veröffentlicht?

Nein. Ich brachte meine ersten Songs auf Bandcamp und Myspace raus, kam so ins Gespräch und war wenig später auf Pitchfork. Danach ging alles seinen Weg. Ich habe auch ein paar gute Kontakte zu Blogs, die über meine Musik schreiben.

Du magst also Musikblogs? Auch solche, die nur Rapidshare-Links posten?

Musikblogs sind eine gute Sache, auch wenn die vielen Torrents die Google-Suchergebnisse für mein Album ruinieren. Anstatt auf meine Seite zu kommen, wird man nur auf Download-Foren weitergeleitet. Das nervt! Trotzdem habe ich kein Problem damit, das die Leute meine Musik kostenlos und schnell bekommen können. Ganz im Gegenteil: Ich finde es sogar sehr nützlich.

Wieso?

Es ist schlicht und einfach eine gute Möglichkeit, die eigene Musik zu verbreiten. Du kannst viele neue Hörer gewinnen, wenn du deine Musik verschenkst. Der Wert bemisst sich also nicht an dem verdienten Geld, sondern an den gewonnen Fans.

Wenn es dir nicht ums Geld geht, stellt sich die Frage, wovon du eigentlich lebst?

Ich lebe von meiner Musik, schließlich ist es immernoch möglich Geld damit zu verdienen!

Was ist dafür notwendig?

Du musst dich in verschiedenen Bereichen des Business auskennen. Das Internet kann hierfür ein großartiger Lehrer sein: Bandcamp kann dabei helfen, Statistiken zu verstehen, Tunecore eignet sich hervorragend für den Eigenvertrieb und Soundcloud bietet die Möglichkeit, sich mit anderen Musikern zu vernetzen und Musik mit anderen Leuten zu teilen. Früher übernahmen Manager diese Jobs, heute kann man das selber machen. Großartig, oder?

Das Internet hat also eine entscheidende Rolle gespielt…

Richtig! Der Erfolg vieler Künstler resultierte aus ihrem Verständnis für die Funktionsweisen des Internets. Ein Bewusstsein für die Bedeutung der eigenen Fanbase, ist ein weiterer wichtiger Faktor in der revolutionierten und digitalisierten Musikindustrie unserer Tage.

Links: Blackbird Blackbird

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Die digitale Revolution hat einen neuen Typus Künstler hervorgebracht: Er verschenkt seine Musik und nutzt erfolgreich die neuen Möglichkeit der Selfmade-Produktion und des Eigenvertriebs. Einer von ihnen ist der Chillwaver Chaz Bundick alias Toro y Moi, der für sein Debütalbum „Causers of this“ dies- und jenseits des Atlantiks viel gefeiert wurde. Bundick nahm seine ersten EPs und Alben in Eigenregie am Laptop auf und verbreitete sie anschließend über Blogs kostenlos im Internet. Wie er im Gespräch mit cartouche. erklärt, gehöre das inzwischen zum Pflichtprogramm, wolle man es heute noch zu etwas bringen.

Chaz, die digitale Revolution hat das Musikgeschäft gründlich auf den Kopf gestellt. Plattenfirmen und Musikmagazine scheinen angesichts der neuen Möglichkeiten des Eigenvertriebs und der kostenlosen PR-Arbeit der unzähligen Fanblogs überflüssig geworden zu sein. Inwiefern hat dir das Internet bei deiner Arbeit geholfen?

Chaz Bundick: Ich habe das Internet genutzt, um meine Musik kostenlos zu verbreiten. Hätte ich diese Möglichkeit nicht gehabt, wäre ich längst nicht so erfolgreich.

Moment mal, du hast deine Musik kostenlos ins Netz gestellt?

Selbstverständlich! Kennst du noch Jemanden, der Musik legal erwirbt? Ich nicht. Warum die eigenen Aufnahmen also nicht gleich verschenken? Nicht einmal Musiker geben noch Geld für Musik aus. Künstler, die das Gegenteil behaupten, lügen oder wissen ganz einfach nicht, wie man Mediafire und Rapidshare benutzt.

Du hast also nichts gegen Musikblogs, die einfach nur die Rapidshare-Links von geleakten Alben verbreiten?

Ganz und gar nicht. Im Gegenteil: Das sind meine Lieblingsblogs! Einen Großteil der Musik, die ich besitze, habe ich illegal aus dem Netz geladen. Genauso habe ich kein Problem damit, dass meine Aufnahmen im Netz kursieren.

Kannst du trotzdem von deiner Musik leben?

Klar! Ich verdiene mein Geld mit Konzerten.

Du hast deine Musik anfangs also kostenlos und ohne die Hilfe eines Labels vertrieben. Wo hast du noch auf klassische Strukturen verzichtet?

Ich habe Tonstudios gemieden. Meine Alben und EPs habe ich bei mir zuhause in South Carolina auf meinem Laptop produziert. Hierfür nutzte ich die Software Fruity Loops und ein Kassettenaufnahmegerät.

Du schlüpfst also in die Rolle des Produzenten. Welche Talente muss ein Musiker heutzutage noch besitzen?

Wenn du es heute zu was bringen willst, musst du dich auch mit Management auskennen. Da das Internet die Kommunikation erheblich erleichtert hat, ist das gar nicht mehr so schwer. Eins ist klar: Es reicht längst nicht mehr aus, einfach nur gute Musik zu machen.

Würdest du sagen, dass das Musikgeschäft durch das Internet demokratischer und partizipativer geworden ist?

Es ist auf jeden fall einfacher geworden, sein eigenes Ding zu machen. Trotzdem kann man bei Fülle an Musik schnell den Überblick verlieren. Ich persönlich finde kaum noch die Zeit, mich richtig auf ein Album einzulassen.

Links: toro y moi / blackbird blackbird / millionyoung

(Foto: BRYAN BUSH)